Polizeinotruf in dringenden Fällen: 110

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Interview: Geht nicht, gibt`s nicht
Manfred Kaiser (59) steht seit 2019 als Abteilungsleiter der Bereitschaftspolizei in Wuppertal in der Verantwortung. Im Interview spricht der Kölner auch darüber, wie sich die Arbeit durch die Querdenker-Demonstrationen verändert hat und warum (manche) Polizisten klettern müssen.
Streife-Redaktion
  Was ist das Besondere an der Tätigkeit bei der Bereitschaftspolizei?

Kaiser: Das lässt sich gut in einem Satz zusammenfassen, den mir ein Kollege gleich bei einem meiner ersten Einsätze mit auf den Weg gegeben hat. „Geht nicht, gibt’s nicht!“, sagte er damals. Und es stimmt: Die Bereitschaftspolizei wird in jedem Einsatz vor neue Herausforderungen und Aufgaben gestellt, die sie bewältigen muss. Wir sind Problemlöser – und das in unglaublich vielen Bereichen.

 

Zum Beispiel?

Kaiser: Wir sind Kletterer und Taucher. Wir haben als Bearbeitungstrupp das große Ganze im Blick und sind als Zugriffseinheit mitten im Geschehen. Sie sehen: Die Vielfalt ist riesig und hat in den vergangenen Jahren noch einmal enorm zugenommen. Weil wir vor neue Aufgaben gestellt wurden und wir uns ihnen gestellt und Lösungen dafür gefunden haben. Niemand wäre vor ein paar Jahren auf die Idee gekommen, dass Polizei in Bäume klettern können muss. Jetzt sind wir regelmäßig im Hambacher oder im Dannenröder Forst, wo wir eben diese Spezialisierung brauchen. Oder nehmen Sie die Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaften, die derzeit in NRW – unter anderem bei uns in Wuppertal – aufgebaut werden. Die Einheiten werden vor allem bei Durchsuchungen, Razzien, Fest- und Ingewahrsamnahmen, Räumungen oder gewalttätigen Aktionen eingesetzt. Und auch hier ist eine hohe Spezialisierung, insbesondere im Hinblick auf Beweissicherungs- und Zugriffstechniken und -taktiken, notwendig.

 

Wo liegt der Schwerpunkt der Aufgaben?

Kaiser: Da zuletzt coronabedingt kein Fußball mit Publikum stattfand, entfiel damit eine unserer Grundlasten. Stattdessen haben wir es im Moment mit vielen Demonstrationen zu tun. Ohne es inhaltlich bewerten zu wollen, haben sich auch hierbei die Anforderungen verändert: Bislang hatten wir vornehmlich Rechts-Links-Demonstrationen oder Versammlungen wie etwa von Fridays for Future. In diesen Fällen sind Störer und Demonstranten eindeutig voneinander zu unterscheiden. Jetzt liegt unser Schwerpunkt bei Querdenker-Demonstrationen – und zwar bundesweit.

 

Wie unterscheiden die sich aus polizeilicher Sicht von den anderen Demonstrationen?

Kaiser: Da gibt es keine klare Trennung zwischen Störern und „normalen“ Demonstranten. Da haben Sie plötzlich eine 70-jährige Frau, die sie bei einer Festnahme wegzieht oder mit leichter körperlicher Gewalt gegen die Polizei vorgeht. Für unsere Einsatztaktik macht es einen Unterschied, ob wir gegen eine 70-Jährige vorgehen müssen oder gegen einen 18-jährigen Hooligan. Aber auch hier finden wir Lösungen, unsere Konzepte immer wieder anzupassen.

 

Was machen Sie konkret?

Kaiser: Uns sind in solchen Konstellationen natürlich viele taktische Möglichkeiten genommen. Wenn Sie sonst in bestimmten Situationen über den Einsatz eines Wasserwerfers nachdenken können, machen Sie das nicht, wenn die 70-jährige Frau oder der Familienvater mit zwei Kindern vor Ihnen steht. Unsere Einsatzmittel sind dann viel Langmut, viel Geduld, viel reden – und allenfalls mit sehr gemäßigter körperlicher Gewalt vorgehen. Auch mit technischen Sperren kann man arbeiten. Aber das ist ein ganz anderer Umgang als etwa bei einer Rechts-Links-Demo.

 

Zurück zur Grundlast Fußball? Wie sehr stören Sie als Fußballfan die oftmals sehr unschönen Umstände, wenn Sie ein Spiel als normaler Zuschauer verfolgen?

Kaiser: Tatsächlich sehe ich das heute mit anderen Augen. Ich war regelmäßig bei meinem FC in Köln im Stadion. Bevor ich meine Funktion bei der Bereitschaftspolizei übernommen habe, konnte ich die Störer ausblenden und mich aufs Fußballspiel konzentrieren. Jetzt sehe ich das Stadion mit einem anderen Blick – und ja, so verliert man ein bisschen den Spaß dran.

 

Sind Bereitschaftspolizistinnen und -polizisten besondere Typen?

Kaiser: Eigentlich nicht. Aber es gibt bestimmte Grundvoraussetzungen, die die Kolleginnen und Kollegen gemeinsam haben. Dazu gehören zum einen körperliche Fitness und Teamfähigkeit. Zum anderen aber auch eine hohe Motivation, sich ständig professionell weiterzuentwickeln und sich selbst sowie die Einsätze zu reflektieren.

 

Aber die Bezeichnung „Bereitschaft“ sagt auch aus, dass man ständig für den Einsatz bereit sein muss.

Kaiser: Wer zur Bereitschaftspolizei geht, muss damit rechnen, dass er heute Nachmittag erfährt, dass er morgen früh nach Berlin fährt. Das ist regelmäßig der Fall. Genauso häufig, wie wir Dienstpläne machen, werfen wir sie auch wieder über den Haufen. Das gehört dazu.

 

Die Bereitschaftspolizei wirkt im Auftreten oft martialisch. Die Kolleginnen und Kollegen kommen – auch wegen ihrer Ausrüstung – nicht als die freundlichen Wachleute daher, die der alten Dame über die Straße helfen.

Kaiser: Dieses Bild täuscht. Zugegeben: Von unserem Auftreten soll immer auch eine gewisse Wirkung ausgehen. Und das tut es, zumal man uns meist als Gruppe wahrnimmt. Aber ich bin immer wieder begeistert, wie viel Langmut und Geduld die Kolleginnen und Kollegen hinter diesem optischen Eindruck immer wieder aufbringen. Auch dem Zehnten, der sie anspricht, erklären sie freundlich, warum beispielsweise die Straße gesperrt ist und wieso die Sperren nicht umsonst aufgebaut wurden. In der Summe geben wir dadurch ein sehr professionelles Bild ab.

 

Und vielleicht entfaltet dieses Bild bisweilen auch eine etwas einschüchternde Wirkung, sodass gar kein robusteres Eingreifen mehr nötig ist.

Kaiser: Natürlich. Mit der Präsenz erzeugen wir Wirkung.

 

Ist die Arbeit bei der Bereitschaftspolizei gefährlich?

Kaiser: Wir kommen in Situationen, in denen es sehr gewalttätig wird. Zuletzt nach dem Aufstieg des VfL Bochum in die Bundesliga, da sind jede Menge Flaschen geflogen. Das war so ein Einsatz, bei dem es wirklich gewalttätig wurde. Oder wenn wir in Berlin sind. Oder beim G20-Gipfel in Hamburg. Das ist nicht ohne. Allerdings: Wir sind gut trainiert und gut auf solche Situationen vorbereitet. Nicht zuletzt will ich betonen, dass wir über eine sehr gute Ausrüstung verfügen. Darum beneiden uns die Kolleginnen und Kollegen anderer Bundesländer immer wieder.

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